Die Kennzeichnung von Lebensmitteln wie Milch, Fleisch oder Eier soll künftig differenzierter werden. Produzenten, die auf den Einsatz von gentechnisch verändertem Futter verzichten, sollen neu auch damit werben dürfen. Detailhändler und Umweltorganisationen sind skeptisch.
Derzeit dürfen Schweizer Lebensmittel nur mit dem Etikett «ohne Gentechnik hergestellt» versehen werden, wenn im gesamten Herstellungsprozess vollständig auf Erzeugnisse aus gentechnisch veränderten Organismen (GVO) verzichtet wurde.
Diese Regelung will das Eidg. Departement des Innern (EDI) aufweichen. Neu soll auch der Teilverzicht auf Gentechnik im Herstellungsprozess angepriesen werden dürfen, nämlich der Verzicht auf Futtermittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen wie Mais oder Soja.
Werbung für Mehrwert
Für diese Aufweichung ist eine Revision der Verordnung über gentechnisch veränderte Lebensmittel nötig. Das EDI hat einen entsprechenden Anpassungsvorschlag formuliert und diesen bis am Montag in die Anhörung geschickt. Die Reaktionen sind – ausser bei den Bauern – grösstenteils kritisch.
Der Schweizer Bauernverband begrüsst die Stossrichtung. Die GVO-freie Fütterung bringe für die Schweizer Landwirtschaft massive Mehrkosten mit sich, schreibt er. Mit der vorgelegten Revision werde es in Zukunft möglich sein, auf diesen Mehraufwand hinzuweisen und den Kunden so den Mehrwert dieser Produkte zu kommunizieren.
Ungleichbehandlung
Dass der Einsatz von GVO-freiem Kraftfutter die Produktion verteuere, bestätigen auch die Milchproduzenten. Im Gegensatz zur ausländischen Konkurrenz könnten Schweizer Hersteller diese aufgrund der hiesigen Gesetzgebung jedoch kaum ausloben, kritisieren sie.
Eine Ungleichbehandlung prangert auch die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) an: Während Schweizer Bauern auf gentechnisch verändertes Futter verzichteten, sei es im Ausland weit verbreitet. «Die Konsumenten erfahren jedoch nicht, ob in der Produktion ihrer Eier, Milch oder des Fleisches GVO-Futter eine Rolle gespielt hat oder nicht.»
In die falsche Richtung
Eine Deklarationspflicht will auch Greenpeace, allerdings eine umgekehrte. Die freiwillige Deklaration von teilweise gentech-freier Produktion, wie sie das EDI vorschlägt, geht aus Sicht der Umweltorganisation in die falsche Richtung.
Sie fordert stattdessen eine Deklarationspflicht für tierische Produkte, die aus GVO-Fütterung stammen. Wo Gentech drin sei, solle auch Gentech draufstehen. Darunter fielen auch indirekte Bestandteile von Lebensmitteln wie gentechnisch veränderte Futterpflanzen.
Dass eine positive Deklarationspflicht grundsätzlich besser wäre, findet auch Swissaid. Aus pragmatischen Gründen unterstützt das Hilfswerk die Revision aber. Diese schaffe für Produzenten einen Anreiz, auf Gentech-Futterpflanzen zu verzichten.
Verwirrung statt Transparenz
Die Detailhändler sind da skeptischer. Schweizer Fleisch, Eier und Milch würden derzeit garantiert ohne GVO-Futter produziert, schreibt beispielsweise die Migros. Grund sei das bis Ende 2017 verlängerte Gentech-Moratorium und der freiwillige Verzicht der Branche auf GVO. Zum jetzigen Zeitpunkt mache eine Revision deshalb wenig Sinn. BioSuisse argumentiert gleich.
Dass die umständliche Bezeichnung «Produktion ohne gentechnisch veränderte Futterpflanzen» mehr Transparenz bringt, bezweifelt die Interessengemeinschaft Detailhandel Schweiz. Wahrscheinlicher sei, dass die Konsumenten dadurch unnötig verunsichert würden, lautet der Tenor unter den Händlern.
Dem Konsumentenforum (kf) kritisiert einen weiteren Aspekt der Vorlage: Die Deklaration schaffe keine Klarheit über den tatsächlichen Einsatz der Gentechnik, etwa in Form von Arzneimitteln oder Vitaminpräparaten.
Dieser Text wurde am 1. April 2014 durch die SDA publiziert und wurde danach unter anderem auf dem Onlineportal der Neuen Zürcher Zeitung aufgeschaltet.